Die „Kleinen 5“ trumpfen groß auf
Zum Jahreswechsel 16/17 und zum Osterfest 2017 reisten wir gleich zwei Mal in die englische Hauptstadt, um dort die eher kleineren Vereine und Stadien zu sehen. In diesem Artikel erfahrt ihr mehr über die Stadien und -erlebnisse der folgenden Vereine: FC Fulham, FC Brentford, Queens Park Rangers, Crystal Palace und Millwall FC. Vorweg sei schon verraten, dass diese Stadien ihre ganz eigene Charakteristik haben und für uns im Gesamtpaket wahrscheinlich die schönsten Stadionerfahrungen in London darstellten.
Craven Cottage – FC Fulham
Zu Beginn des Jahres 2017 schauten wir im damals noch nicht umgebauten Stadion „Craven Cottage“ die Begegnung des FC Fulham gegen Brighton & Hove Albion. Die heutigen Premier-League Teams begegneten sich damals noch zum Aufstiegsduell in der EFL-Championship.Das im Westen Londons gelegene Stadion erreicht man am einfachsten mit der District Line der U-Bahn und steigt an der Station Putney Bridge aus. Von dort aus gelangt man durch den wunderschönen Bishops Park, immer entlang der Themse, zum 10 Minuten entfernten „Craven Cottage“. Das 1896 erbaute Stadion liegt einerseits direkt an der Themse, zur anderen Seite erstreckt sich ein altes aber wohlhabendes Wohngebiet.
Am Spieltag erwischten wir Traumwetter, trotz der Januartemperaturen spiegelten sich die warmen Sonnenstrahlen in der seichten Strömung der Themse wieder. Die Fassade der Haupttribüne, die „Johnny Haines Stand“, gleicht einer Aneinanderreihung von kleinen Einfamilienhäusern aus Backstein. Zwischen der Haupttribüne und der Tribüne „Putney End“ erkennt man das ehrwürdige und namensgebende Craven Cottage. Zum einen ein kleines Cafè für Besucher, zum anderen aber auch der Eingang für Spieler und Trainer. Aus unserer Sicht eine Stadionecke, die in dieser Form einzigartig und sehr traditionsreich ist. So etwas hatten wir bisher noch nicht erlebt. Innerhalb des Stadions dient die obere Etage des gerade beschriebenen Cottages als Holztribüne für die Spielerfrauen oder Funktionäre, die zur Weihnachtszeit gerne auch mal mit feierlichen Girlanden geschmückt ist. Herrlich!
Wir hatten uns im Vorfeld auf der Ticketseite von Fulham zwei Tickets für die Tribüne „River Stand“ gekauft, die in den folgenden Jahren modernisiert bzw. ausgebaut wurde. Dass diese Tribüne von der Themse nur durch eine ca. 10 Meter breite „Würstchen- und Bierbuden Meile“ getrennt ist, war für uns auch neu. Bei strahlendem Sonnenschein ein Bierchen direkt am bekanntesten Fluss Englands zu trinken und neben sich direkt das Craven Cottage zu haben, war wahrlich genial.
Das damals mit 25.700 Zuschauern ausverkaufte Stadion sah ein interessantes Aufstiegsduell mit dem besseren Ausgang für die Gäste. Brighton gewann letztlich mit 2:1 gegen die Hausherren. Egal, welche Plätze man in diesem Stadion erwischt, man hat immer eine sehr gute Sicht auf das Spielgeschehen. Wenn man jedoch die freie Auswahl hat, würden wir uns wieder für die Tribüne „River Stand“ entscheiden, da man von dort einen perfekten Blick auf das eigentliche Craven Cottage und die alten, vertikalen Streben der Gegentribüne hat.
Das Stadion „Craven Cottage“ war für uns ein besonderes Groundhopping-Highlight. Fußballliebhaber sollten diesen kleinen aber feinen Fußballtempel bei einem Londonbesuch auf keinen Fall auslassen!
Griffin Park – Brentford FC
Wenn man im Westen Londons bleibt, kann man sich seit der Saison 21/22 Heimspiele eines weiteren Premier League Teilnehmers ansehen. Der FC Brentford schaffte in der Saison 20/21 den Aufstieg ins englische Oberhaus, in der folgenden Saison konnte man sogar frühzeitig den Klassenerhalt feiern. Während Brentford seit dem Aufstieg im neu erbauten „Community Stadium“ seine Heimspiele austrägt, durften wir zum Jahreswechsel 16/17 noch ein Match im alten „Griffin Park“ verfolgen. Das neue Stadion liegt nur ca. 200 Metern entfernt vom alten „Griffin Park“. Das damals kleinste Londoner Championship Stadion hatte eine Kapazität von knapp 13.000 Zuschauern.Während das ermüdende 0:0 Unentschieden gegen Norwich City unter Flutlicht uns nicht von den Sitzplätzen reißen konnte, punktete umso mehr das kleine Schmuckkästchen mit großer Nostalgie. Ähnlich wie in Fulham ist das Stadion in eine Wohngegend eingebettet. Einfamilienhäuser schmiegen sich an die kleinen vertikalen Tribünenfassaden.
Als absolutes Highlight – und wahrscheinlich englandweit einmalig – empfanden wir die Pubs in den vier Stadionecken. Wir entschieden uns damals für ein Bierchen im „Prinzess Royal“, was einem kleinen gemütlichen Wohnzimmer ähnelte. Plötzlich sahen wir eine kleinere Menschentraube, die sich auf der schmalen Straße versammelte. Ordner wiesen den Mannschaftsbus der Gäste ein. Was heißt einweisen? Der Bus parkte direkt zwischen den Häuserfronten und dem Stadion. Die Spieler stiegen mit ihren kleinen Kulturtäschchen aus und gaben fleißig Autogramme oder machten Selfies. Nahbare Fußballspieler zum Anfassen quasi. In modernen Fußballzeiten und -stadien eine absolute Utopie!
Rechts neben dem Pub entdeckten wir den wohl kleinsten Stadionfanshop, den wir je gesehen hatten, in welchem wir uns den obligatorischen Schal zulegten.
Charakteristisch für das Stadion waren die sehr offen gehaltenen Ecken, durch die der eisige Wind hindurch peitschte. Gut, dass wir Mützen und Schals dabei hatten. Ähnlich wie das Craven Cottage liegt das Stadion in der Einflugschneise vom Flughafen Heathrow. Somit sind dröhnende Turbinen bei einem Besuch im Griffin Park vorprogrammiert. Seit einem Jahr allerdings nicht mehr zu den Heimspielen der „Bienen“ (Die Spieler von Brentford werden von ihren Fans „bees“ genannt).
Schade, dass dieses winzige aber nostalgische Stadion den Kommerzaspekten und dem Lauf der Zeit weichen musste. Wir sind sehr froh, noch im alten „Griffin Park“ gewesen zu sein.
Loftus Road – Queens Park Rangers
Der Besuch der „Loftus Road“, Heimspielstätte des Clubs Queens Park Rangers, bleibt für uns vor allem aus einem Aspekt immer in Erinnerung. In keinem Stadion der Welt saßen wir bis zum jetzigen Zeitpunkt näher am Spielgeschehen und den Akteuren dran als dort.Das interessante, wenn auch nicht immer hochqualitative Spiel der Rangers gegen Sheffield Wednesday am Osterwochenende 2017 endete 1:2 aus Sicht der Gastgeber. Für kleines Geld ergatterten wir zwei Plätze in der ersten Reihe auf der Ellerslie Road Stand, unmittelbar in der Nähe der Gästefans aus Sheffield. Dies stellte sich als Glücksgriff heraus, da die mitgereisten Unterstützer aus dem nördlichen Mittelengland ihre Mannschaft lauthals pushten.
Besonders beeindruckt waren wir aber von der Nähe zum Pitch. Bei Einwürfen auf unserer Seite hätten wir das runde Leder ganz einfach aus den Händen der Protagonisten schlagen können, so nah waren wir dran. Man hatte wahrlich das Gefühl, mittendrin zu sein. Aber auch die extreme Kompaktheit des rechteckigen Stadions war besonders. Eine solch enge Innenraumkonstruktion der Tribünen kannten wir so noch nicht.
Das im Jahr 1904 erbaute Stadion liegt im Stadtteil Shepard`s Bush, natürlich wie so häufig umgeben von Wohnblocks. Mit der Central Line fahrend steigt man an der Station White City aus. Wenn man lieber die Circle oder Hammersmith & City Line nimmt, sollte man die Tube an der Station Wood Lane verlassen.
Eine interessante Geschichte zur Namensgebung des Stadions: Bis vor ein paar Jahren, auch während unseres Besuches, hieß das Stadion jahrzehntelang „Loftus Road“. Als ein Jugendspieler (Kiyan Prince) des Vereins QPR bei einer Messerstecherei im Jahre 2006 schlichten wollte, wurde dieser tödlich verletzt. Sein Vater gründete daraufhin die Kiyan Prince Foundation, eine örtliche Wohltätigkeitsorganisation gegen Jugendkriminalität. Die Fans der Queens Park Rangers entschieden im Jahr 2019, den Stadionnamen an genau diese Wohltätigkeitsorganisation zu binden. Seither hieß das Stadion von QPR das „Kyan Prince Foundation Stadium“. Zur neuen Spielzeit 22/23 endet allerdings die Partnerschaft und das wunderschöne kleine Fußballstadion im Westen Londons bekommt seinen alten Namen „Loftus Road“ zurück.
Im westlichen Teil Londons liegen die Stadien von Fulham, Brentford, QPR und Chelsea geografisch gesehen nur rund 15 km auseinander. Ein Leckerbissen für Groundhopper!
Selhurst Park – Crystal Palace
Der „Selhurst Park“, das Stadion des Fußballvereins Crystal Palace liegt im Süden der Hauptstadt zwischen den Stadtteilen Crystal und Croydon. Mit der National Rail kann man von der City aus die Züge von Viktoria, Clapham Jct. bzw. Balham benutzen. An der Station Selhurst gilt es auszusteigen. Von dort aus ist der rund 10-minütige Weg zum Stadion ausgeschildert.Der „Selhurst Park“ liegt in einer leicht hügeligen Wohngegend, wodurch das Stadion einen besonderen Charme erhält. Die Straßen an den beiden Haupttribünen sind beispielsweise leicht an- bzw. abschüssig. Somit wurde das 1924 erbaute Stadion an diese geografischen Gegebenheiten angepasst.
Von außen und von innen betrachtet, wirkt der Kasten der „Eagles“ in die Jahre gekommen, aber genau das macht es ja für Groundhopper meistens aus. Das Rund (eigentlich ist es ja rechteckig) lässt sich in einen neueren Teil (die Hintertortribünen) und einen älteren Teil (Haupttribünen) unterteilen. An den Längsseiten befinden sich die in die Jahre gekommenen „Main“ und „Arthur Wait Stands“.
Sehr imposant und moderner wirkt, vom Innenraum betrachtet, die südliche Homesdale Road Stand. Auf den beiden steilen Rängen sind die Palace-Anhänger beheimatet, die bei unserem Stadionbesuch kräftig Stimmung erzeugten. Da wir natürlich, wie so oft, bereits früher im Stadion waren und noch wenige Zuschauer vor Ort waren, konnte man den riesigen Schriftzug „Palace Eagles“ erkennen, der förmlich über dem gesamten Stadion thront.
Das Premier League Duell gegen Leicester City endete vor ausverkauftem Haus (25.000 Zuschauern) 2:2 Unentschieden. In der dritten Reihe sitzend sahen wir an Ostern 2017 u.a. ein geniales Kontertor des englischen Nationalstürmers Jamie Vardy. Ganz zur Freude der mitgereisten Leicester Fans, die direkt neben uns auf der Arthur Wait Stand frenetisch jubelten. Fußballerisch und stimmungstechnisch war der Besuch des Selhurst Park absolut lohnenswert. Pläne für einen Stadionausbau liegen schon längere Zeit vor, bisher scheitert es allerdings an der Umsetzung. Demnach sollen bald im erweiterten Fußballtempel rund 34.000 Zuschauer Platz finden. Aus Groundhopper-Sicht ist es auf jeden Fall positiv, dass die Charakteristik des Stadions durch den Neubau nicht wesentlich beeinträchtigt wird.
The Den – Millwall FC
Ein League One Spiel ist bei einem Londontrip eigentlich immer drin. Zahlreiche, auch noch nicht von uns besuchte Vereine, wie z.B. Charlton Athletic, sind in der Hauptstadt beheimatet. Für uns war aber an Ostern 2017 ein anderes geschichtsträchtiges Stadion das Ziel: „The Den“, Heimat des Millwall FC, deren größter Erfolg das Erreichen des FA-Cup Finales im Jahr 2004 war. Damals verlor man aber gegen das übermächtige Manchester United in Wembley klar.Verkehrstechnisch ist das Stadion gut anzutreffen. Mit der National Rail (z.B. von der Station London Bridge) fährt man bis zur Station South Bermondsey. Von dort aus ist das „Den“ in nur fünf Minuten zu erreichen. Achtung: Gästefans werden direkt von der Tubestation abgeholt und zum Stadion eskortiert.
Als wir im Stadtteil Bermondsey ankamen, wussten wir direkt Bescheid: Hier finden wir das genaue Gegenteil zum reichen Stadtteil Fulham wieder. Weder schöne Parks noch schickere Villen säumten das Stadtbild. Tristes Wetter und eine ärmlichere Wohngegend warteten auf uns. Passend natürlich zur Fanszene von Millwall. Der Verein wurde 1885 von schottischen Arbeitern gegründet, daher auch die Vereinsfarben Blau und Weiß. Auch heute schaut sich nicht die Schickeria von London, sondern die klassische Arbeiterschaft des süd- und südöstlichen Londons die Spiele von Millwall an.
Das 1993 erbaute Stadion hat ein Fassungsvermögen von etwa 20.000 Zuschauern. Damals verfolgten wir die Begegnung gegen Northampton Town, welches Millwall mit 3:0 gewann. Spielerisch konnten wir keinen Leckerbissen erwarten, jedoch sahen wir schön herausgespielte Tore der Heimmannschaft und eine ordentliche Stimmung der Heimfans. Leider war das Spiel nicht ausverkauft.
Von außen wirkt das rechteckige Fußballstadion durch seine großen architektonischen Verstrebungen an den Fassaden wie eine Art Gefängnis. Vielleicht soll dieser Anblick die Gästemannschaften und -fans bei der Ankunft schon einschüchtern, wer weiß. Die Ecken sind offen, so dass es keine absolute Kompaktheit wie in der „Loftus Road“ gibt. Unsere Plätze hatten wir auf einer der beiden Haupttribünen The Docker`s Stand. Ein Spielticket in der dritten Liga kostete damals recht wenig, umgerechnet rund 18 Euro. Dafür war der Blick auf das Spielfeld von der vierten Reihe aus umso besser.
Früher waren die Fans von Millwall bekannt für ihre Gewaltbereitschaft, sogar noch zu Beginn der 2000er Jahre. Dies wurde auch in diversen Filmen, wie „Hooligans“ mit Elijah Wood dargestellt. A prospos Fanszene: Eine Begebenheit machte im Juni 2017, kurz nach unserem Besuch, positive Schlagzeilen in ganz England. Bei dem damaligen Terroranschlag in London stellte sich der Millwall Fan Roy Larner den drei Attentätern unbewaffnet entgegen. In einem Pub kämpfte er mit seinen Fäusten gegen jene Islamisten, rettete zahlreiche Menschenleben und rief ihnen dabei zu: „Fuck you, I`m Millwall!“ Seither ist er bei dem Verein Millwall FC und den Anhängern sehr beliebt.
Eine lustige Geschichte zum Schluss: Durch berufliche Kontakte von Florian gelangten wir in die „Heiligen Hallen“ des Stadions „The Den“, sodass wir im VIP Bereich mit einem ehemaligen Spieler des Clubs sogar ein Bierchen trinken konnten. Ein besonderes Erlebnis zu diesem besonderem Stadion.